Ein Besuch dieses außergewöhnlichen Landschaftsparks steht schon seit seiner Entstehung in den 1990-er Jahren auf meiner imaginären Wunschliste. Ein Ort mit unterschiedlichen Phasen, viel Geschichte und vielen Geschichten.

 

Phase 1: Die Entstehung des Hüttenwerks

Foto: Das Herzstück jedes Hüttenwerks sind die Hochöfen, die hier zu sehen sind. Auch im Landschaftspark Duisburg-Nord bilden sie den Mittelpunkt der Anlage.

1901 markiert den Baubeginn des Hüttenwerks in Duisburg-Nord durch den Industriellen August Thyssen. Bereits 1903 wird mit der Stahlproduktion begonnen. Der damals wie heute nachgefragte Rohstoff Stahl wurde im Ruhrgebiet an mehreren Standorten hergestellt. Die dort befindlichen Kohlelagerstätten und andere Rohstoffe, die zur Stahlerzeugung benötigt werden, begünstigten den Standort für die Begründung der deutschen Stahlindustrie.

Phase 2: Der Wiederaufbau nach dem 2. Weltkrieg

Foto: Ein Hüttenwerk besteht aus mehren Gebäuden und Bauten und ist komplex aufgebaut. Der runde Gasometer wird heute zum Tauchen genutzt.

Stahl, der auch wichtiger Rohstoff für die Kriegsindustrie war, wurde vor und während des 2. Weltkrieges in Duisburg-Nord hergestellt. Stahlarbeiter wurden durch Zwangsarbeiter und Frauen ersetzt. Ihre Arbeitskraft wurde unerbittlich ausgebeutet. Auch das Werk erlitt in den Kriegsjahren durch fehlende Investitionen und Luftangriffe massive Schäden. Nach dem Ende des 2. Weltkrieges floss Geld in die Modernisierung und Erweiterung des Hüttenwerks, sodass es wieder in Betrieb gehen konnte.

Phase 3: Die Schließung der Hütte

Foto: Die Spuren der früheren Nutzung sind überall sichtbar.

Im April 1985 wird das Werk durch die Thyssen Stahl AG stillgelegt. Das Werk war im Vergleich zur internationalen Stahlindustrie unrentabel geworden. Obwohl es noch kurze Zeit davor Bemühungen zur Aufrechterhaltung des Standortes gab, schloss das Werk. Die Schwerindustrie in ganz Europa kämpfte in dieser Zeit mit großflächigen Schließungen, da sie der Konkurrenz unterlegen war.

Foto: Mit der Bahn wurden Kohle, Erz und alle weiteren Rohstoffe, die zur Stahlerzeugung nötig waren, herangeschafft.

Foto: Die Natur siedelt sich an sehr kuriosen Orten an. Dieser Weißdorn (Crataegus sp.) steht in voller Blüte.

Phase 4: Die Transformation

Foto: Im Möllerbunker wurde das Gemisch aus Erz, Kohle und anderen Zuschlagstoffen zwischengelagert, bevor es in den Hochofen kam. Heute kann man über den Möllerbunker spazieren.

Obwohl es Pläne zum Abriss des Hüttenwerks gab, konnte dieses Industriedenkmal aufgrund mehrerer Faktoren erhalten bleiben: Bürgerinitiativen unterstützten den Erhalt. Der Abriss wäre mit enormen Kosten verbunden gewesen. Die Bewertung von Industriearchitektur als wertvolle und als Denkmal schützenswerte Architektur. Damit einhergehend auch die neue Sichtweise von Industrielandschaft als Teil der Kulturlandschaft. Und nicht zuletzt die damalige Suche der Stadt Duisburg für Ausgleichsflächen aufgrund einer umfassenden Flächenumwidmung zu Gewerbegebiet. Ergebnis: Die Idee des neuartigen Landschaftsparks war geboren. In einem internationalen Wettbewerb ging der Beitrag des Büros Latz + Partner als Siegerprojekt hervor. Es verfolgte einen behutsamen Ansatz zur Gestaltung. Im Sommer 1994 wird der Landschaftspark Duisburg-Nord eröffnet.

Foto: Schon von weitem ist das ehemalige Hüttenwerk sichtbar. Eine Landmark mit besonderem Flair.

Foto: Auch auf dem ehemaligen Möllerbunker hat sich Natur angesiedelt. Bei geringer Substratauflage wie hier, wächst krautige Vegetation.

Phase 5: Die Metamorphose

bFoto: An den Rändern des Hüttenwerks sind waldähnliche Bereiche entstanden.

Das Hüttenwerk ist das Zentrum des Landschaftsparks. Zwischen den monumentalen Bauten darf sich wildes Grün etablieren. Es gibt die unterschiedlichsten Sukzessionsstadien von Pflanzengesellschaften. Vom Pionierstadium mit krautigen Pflanzen. Den ersten Pioniergehölzen in Form von Birken, bis zu Schlussgesellschaften mit waldähnlichen Bereichen. Durch gezielte Pflegeeingriffe wird die Spontanvegetation zurückgenommen und die Besiedelung beginnt von Neuem. Neben der Spontanvegetation gibt es aber auch geplante Pflanzungen, wie etwa einen Baumhain im Eingangsbereich oder die umschlossenen Sintergärten, die an Klostergärten erinnern. Das Zentrum des Landschaftsparks bildet das ehemalige Hüttenwerk. Im Osten und Westen sind noch weitläufige Grünflächen angeschlossen, die den Landschaftspark Duisburg-Nord komplettieren.

Foto: Bei einem ausgedehnten Spaziergang kann man unterschiedliche Sukzessionsstadien finden. Durch gezielte Pflegeeingriffe werden diese unterschiedlichen Stadien erhalten.

Foto: Der Dreifinger-Steinbrech (Saxifraga tridactylites) ist eine winzige und  einjährige Steinbrech-Art.

Foto: Im Haupteingangsbereich gibt es einen weitläufigen Baumhain, der den Besucherinnen und Besuchern im Sommer Schatten spendet.

Foto: Die Heckenbraunelle (Prunella modularis) ist eigentlich ein scheuer Heckenvogel. Doch hier im Landschaftspark Duisburg-Nord konnte ich sie wunderbar beobachten.

Foto: Im ehemaligen Möllerbunker gibt es unter anderem Pflanzungen. Sie werden extensiv gepflegt.

Foto: In den runden Klärbecken wurden in den Randbereichen Sumpfpflanzen wie diese Sumpf-Schwertlilie (Iris pseudacorus) gepflanzt.

Foto: Die Piazza Metallica mit quadratischen Metallplatten wird von den Industriebauten eingefasst.

Foto: Blick auf die Sintergärten (links), den Sinterplatz (Mitte) und den Windenergieturm.

Foto: In den umschlossenen Sintergärten gibt es unterschiedlich gestaltete Gärten. Manche sind zugänglich. Andere, wie hier, sind nur von außen oder oben zu betrachten.

Foto: Alte Bahnschwellen sind mit Moos überzogen. Sand-Birken (Bteula pendula) haben sich angesiedelt. Sie sind typische Pioniergehölze.

Foto: Zwischen den bemoosten Bahnschwellen sucht eine Hummelkönigin der Dunklen Erdhummel (Bombus terrestris) einen Ort für ihr Nest.

Phase 6: Die heutige Nutzung

Foto: Dort, wo früher im Möllerbunker das Erz-Kohle-Gemisch auf seine Verhüttung wartete, wird heute unter anderem geklettert.

Der Park ist ein wichtiges Naherholungsgebiet für die Bevölkerung Duisburgs. Hier kann man neben der üblichen Parknutzung auch Klettern, Tauchen oder Veranstaltungen erleben. Der Landschaftspark ist über die Grenzen hinaus bekannt und wird auch von internationalem Publikum besucht. 2015 wird der Landschaftspark Duisburg-Nord von der britischen Tageszeitung The Guardian zu einem der 10 besten Parks weltweit gewählt.

Foto: Der Deutsche Alpenverein hat hier im Landschaftspark Duisburg-Nord einen Klettergarten.

Foto: Immer wieder gibt es Überraschungsmomente im Park.

Foto: Auch Spielplätze dürfen nicht fehlen. Hier am Wasserspielplatz sind die durchschnittlichen  Monatsniederschlagsmengen von Duisburg dargestellt.

Meine Impressionen

Foto: Die Natur hat sich wieder ein Stück Lebensraum zurückerobert.

Ich bin tief beeindruckt von der Parkanlage. Der Kontrast von rostender monumentaler Industriearchitektur und üppigem frischem Grün, das sich wieder den Ort zurückerobert, ist faszinierend. Die unterschiedlichen Ein- und Ausblicke. Überraschende Momente, weil sich plötzlich Unerwartetes eröffnet. Eindrucksvolle Vegetationsbilder und interessante Naturbeobachtungen. Das macht den Park zu einem einzigartigen Ort.

Foto: An den unwirtlichsten Orten spriest das Grün.

Durch die Rückeroberung der Flächen durch die Vegetation haben sich auch viele Tiere wieder angesiedelt. Hier eine Blaumeise (Cyanistes caeruleus) auf der Suche nach Futter.

Foto: Der Braune Streifenfarn (Asplenium trichomanes) wird auch als Steinfeder bezeichnet. Er kann sich in Steinritzen ansiedeln.