Alle Fotos: Dr. Julia Michlmayr-Gomenyuk oder Harald Michlmayr.

In diesem Interview kommen Julia und Igor zu Wort. Sie erzählen aus Ihrem Leben als Bio-Bauern. Was sie angetrieben hat, Bio-Landwirtschaft zu betreiben. Was sie kultivieren. Und wie sie ihren Hof führen.

 

Sonja: Hallo Julia und Igor, ihr seid Quereinsteiger in punkto Landwirtschaft. Was hat euch motiviert einen Bio-Bauernhof zu betreiben?

Julia: Ich war dem Fuxengut bei Steyr – dem Ort meiner Kindheit – emotionell immer sehr verbunden. Als ich Anfang der 2000er Jahre von Garsten nach Wien zwecks Studium übersiedelte, nahm ich ein altes Fuxengutstraßen-Schild mit. Das hing dann über 16 Jahre in meiner Wiener Wohnung. Das Fuxengut war damals immer ein bisschen ein Sehnsuchtsort für mich. Im Rahmen meiner Arbeit an der Fakultät für Raumplanung befasste ich mich intensiv mit dem Wandel der bäuerlichen Kulturlandschaft und all seinen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Auswirkungen. Auch die landwirtschaftlichen Flächen am Fuxengut waren damals schon seit Jahrzehnten verpachtet. Mein Großvater war der letzte in der Familie, der das Fuxengut aktiv landwirtschaftlich nutzte. Ich beschäftigte mich also durchaus kritisch mit den Themen Bewirtschaftungsaufgabe und fehlende Hofnachfolge, während zuhause am Fuxengut eigentlich genau das Gleiche der Fall war.

Igor: Ich bin ursprünglich aus der Ukraine. Meine Eltern, Großeltern und praktisch alle Verwandten bewirtschaften zuhause ein größeres oder kleineres Stück Land. Die Selbstversorgung mit Lebensmitteln ist insbesondere in kleineren und mittleren ukrainischen Ortschaften selbstverständlich. In Österreich scheint dieser Trend – wenn auch nicht aus wirtschaftlichen Gründen wie in meinem Heimatland – stark zuzunehmen. Julia und ich haben schon einige Jahre vor unserem Umzug begonnen, am Fuxengut einen relativ großen Gemüsegarten zur Selbstversorgung anzulegen.

Julia und Igor arbeiten gerne zusammen. Erdäpfel machen einen wichtigen Teil ihres vielfältigen Sortiments aus.

Julia: Etwa 3 Mal im Monat sind wir damals zwischen Wien und Oberösterreich gependelt, um den Garten zu pflegen und zu beernten. Das machte uns beiden sehr viel Spaß und Freude. Und langsam haben wir begonnen zu träumen: Was wäre wenn…

Zusammengefasst kann man also sagen, die Motivation zum Bio-Hof war eine Mischung aus emotioneller Verbundenheit zu diesem Ort – durchaus auch der theoretischen Beschäftigung mit dem Thema Kulturlandschaft & Bauernhöfe geschuldet – und der selbst erprobten Freude an der Eigenproduktion von gesunden, biologischen Lebensmitteln.

Igor: Dann kamen nach der Reihe unsere 3 Kinder auf die Welt. Dadurch änderte sich das Leben noch einmal um 180 Grad. Damit erschien uns der Zeitpunkt für die Realisierung unserer Ideen gekommen: Raus aus der Stadt. Jetzt oder nie.

Das Fuxengut liegt unweit von Steyr.

Sonja: Woher kommt der Name Fuxengut?

Julia: Fuxengut kommt nicht vom Fuchs, wie die meisten vermuten. Der historische Name des Fuxenguts ist Fuxortnergütl. Als solches hat es auch mein Urgroßvater Henricht Klackl, ein gebürtiger Steirer, im Jahr 1909 gekauft. Fuxortner war der Familienname des damaligen Vorbesitzers.

 

Vielfalt wird großgeschrieben bei Julia und Igor

Es gibt nicht nur viele verschiedene Gemüse, sondern auch eine große Sortenvielfalt. Wer mag, kann auch ab Hof einkaufen.

Sonja: Ihr kultiviert Gemüse, Obst, Kräuter und Blumen. Wie breit ist euer Sortiment aufgestellt? Welche Frucht macht den Hauptanteil aus? Also, gibt es einen Schwerpunkt, oder ist das auch saisonal abhängig? Und wie entscheidet ihr, was angebaut wird?

Igor: Immer im Sortiment haben wir – je nach Saison – Blattsalate und Blattgemüse wie Spinat, Mangold, Asiasalate, Portulak und Vogerlsalat, sowie Kohlgemüse wie Weiß- und Rotkraut, Kohl, Kohlsprossen, Kohlrabi, Karfiol und Brokkoli und natürlich auch Wurzel- und Knollengemüse wie Karotten, Radieschen, Pastinaken, rote Rüben, Kartoffeln, Süßkartoffeln, Fenchel. Dann gibt es Hülsenfrüchte wie Bohnen, Fisolen und Erbsen, Fruchtgemüse wie Kürbis, Zucchini, Gurken, Wassermelonen, Paradeiser, Paprika, Melanzani und Artischocken, Lauchgemüse wie Zwiebel, Schalotten, Lauch und Knoblauch. „Quer durch den Gemüsegarten“ triffts also am Besten – je nach Jahreszeit und Wetterbedingungen.

Igor beim Pikieren der jungen Sämlinge. Vom Samen bis zum reifen Gemüse steckt viel Handarbeit und Liebe drin.

Julia: Neben Gemüse kultivieren wir auch Erdbeeren und Rhabarber. Mengenmäßig stehen Kartoffeln, Zwiebeln und Erdbeeren relativ weit vorne.

Den Anbauplan fürs jeweils nächste Jahr machen wir im Spätherbst, wobei wir auch auf Erfahrungen zurückgreifen, was den Absatz einzelner Gemüsearten anbelangt. So sind wir beispielsweise mit Fenchel und Kohl mengenmäßig zurückgefahren – das ist derzeit nicht so gefragt. Während wir heuer um einiges mehr Karotten, Sellerie und Pastinaken für die Wintermonate einplanen. Neu ausprobiert wird heuer beispielsweise Schwarzwurzel und Yacon – eine Knolle, ähnlich wie Topinambur – sowie einige neue Sorten bei Paradeisern, Salaten und Melonen.

Selbstvermarktung der Erzeugnisse sowie Natur- und Umweltvermittlung

Donnerstag vormittag ist Markttag am Stadtplatz in Steyr.  Auch dort sind Julia und Igor mit ihren Erzeugnissen vom Fuxengut anzutreffen.

Sonja: Wo kann ich eure Erzeugnisse erstehen?

Igor: Jeden Donnerstag Vormittag in Steyr am Stadtplatz. Steyr ist übrigens heuer ohnehin einen Ausflug wert. Nicht nur wegen unserem Bio-Gemüsestand, sondern auch wegen der sehr spannenden Oberösterreichische Landesausstellung „Arbeit – Wohlstand – Macht“.

Jeden Freitag Nachmittag verkaufen wir ab Hof am Fuxengut, jeden Samstag Vormittag stehen wir am Garstner Bauernmarkt und jeweils Dienstag Nachmittags betreiben wir einen kleinen „Take-away-Gemüsestand“ an einer viel befahrenen Straße in Steyr.

Sonja: Neben euren Feldfrüchten, Kräutern und Blumen, bietet ihr auch Workshops an. Für wen sind diese Workshops? Und was kann man da erfahren?

Julia mag die Arbeit mit Kindern. Ihr liegt die Vermittlung von Naturthemen und dem Leben am Bauernhof an Kinder sehr am Herzen.

Julia: Wir bieten im Rahmen von „Schule am Bauernhof“ Workshops im Bereich Natur- und Umweltvermittlung für Volks- und Mittelschulen an. Wenn nicht gerade eine Pandemie die Welt im Schwitzkasten hat – und damit für Schulklassen Ausflüge untersagt sind.

Von Frühling bis Herbst beschäftigen wir uns gemeinsam mit den Schulkindern mit den Themen Bodenschutz, Artenvielfalt, Hühnerhaltung, Regionalität & Saisonalität oder auch mit der sinnlichen Wahrnehmung von Natur & Landwirtschaft. Im Winter bieten wir den Workshop „Gib dem Wintervogel Futter“ zum Thema Wintervögel in unserer Kulturlandschaft an.

Die Workshops mache ich gemeinsam mit einer sehr guten Freundin. Sie ist Biologin und hauptberufliche Kulturvermittlerin im Naturhistorischen Museum Wien.

In Kindern die Begeisterung und das Interesse an der Natur und den Naturvorgängen zu wecken, aber sie auch über die Arbeit am Bauernhof zu informieren, ist die Intention für die Schule am Bauernhof.

Neben „Schule am Bauernhof“ gibt es im Sommer auch extern organisierte Lehrerfortbildungen und Exkursionen bei uns. Besonders viel Spaß machen mir Workshops, die wir im Rahmen der Kinderuni Steyr immer im Spätsommer anbieten.

 

…und noch einiges mehr

Nicht nur Gemüse und Obst wächst und gedeiht am Fuxengut. Auch Blumen blühen allerorts.

Sonja: Euer Tag ist sicher gut ausgefüllt. Dennoch findest Du Julia noch Zeit, deinen eigenen Blog zu schreiben. Ich bin mittlerweile ein richtiger Fan deiner Beiträge geworden. Du schreibst über deinen Alltag als Bio-Bäuerin, sprichst aber auch ethische Fragen an, die du humorvoll und witzig behandelst. Das gefällt mir an deinen Beiträgen. Und auch die Fotos sind toll. Wieso schreibst du den Blog?

Julia: Als wir ganz am Beginn unsere Homepage erstellt haben, war meine Idee, den Leuten auch die Möglichkeit zu geben, ein bisschen etwas über unsere persönlichen Beweggründe und Themen die uns umtreiben, zu lesen. Geschrieben habe ich schon immer sehr gerne. Während meiner Studienzeit stand ich mit meinem Vater in sehr regelmäßigem Brief- bzw. Mailkontakt. Zum Studienabschluss hat er mir unsere Mails als gebundenes Buch mit dem Titel „13 Semester“ geschenkt. Das ist eine sehr wertvolle Erinnerung an die Zeit damals. Das Schreiben meines Blogs ist für mich auch eine Art, mein Leben zu dokumentieren. Natürlich ist es nicht so persönlich wie ein Tagebuch oder ein Brief, aber Blog-schreiben ist für mich eine wunderbare Art das eigene Leben, und auch die Welt in der man sich bewegt, zu reflektieren und zu hinterfragen.

Blühstreifen an den Ackerrändern sind für Igor und Julia ein muss. Sie sind nicht nur schön, sondern sind für nützliche Insekten eine wichtige Nahrungsquelle.

Sonja: Bio-Bauernhof Fuxengut klingt idyllisch. Da ich selbst auf einem Bauernhof aufgewachsen bin, weiß ich, dass es das nicht immer ist. Igor, welche Momente als Bio-Bauer machen dich glücklich?

Igor: Glücklich macht mich vor allem die Selbstbestimmtheit und Eigenverantwortung, mit der man sein Leben und seine Zeit gestalten kann. Ich genieße es auch, dass unsere Arbeitstage im Laufe eines Jahres sehr abwechslungsreich sind und es immer Möglichkeiten gibt, sich weiterzuentwickeln und Neues auszuprobieren. Neue Gemüsearten und -sorten, aber auch ausgefallene Blumenarten. Neben unserem Interesse am Gemüsebau, habe ich sehr viel Freude an der gestalterischen Pflege unseres Feldes. Blühstreifen und Beerenhecken entlang gemähter Wiesenwege und ein Mosaik  aus unterschiedlichsten Gemüsearten und -sorten. Im Hochsommer abends, nach getaner Arbeit vorm Gewächshaus noch ein kühles Bier trinken, und dann mit Julia eine Runde am Feld gehen, wenn alles blüht und wächst. Das macht mich glücklich.

 

Freude und Frust liegen manchmal nah bei einander

Melonen sind wahrlich nicht ganz einfach zu kultivieren. Es ist beruhigend zu hören, dass selbst für Anbauprofis wie Julia und Igor, diese schmackhaften Früchte eine Herausforderung in der Kulturführung sind.

Sonja: Gibt es eine Lieblings-Frucht, auf die ihr euch immer besonders freut? Und umgekehrt, gibt es eine Kultur, die ihr weniger gerne anbaut? Und warum?

Igor: Eine der spannendsten Früchte ist sicher die Wassermelone in unterschiedlichsten Sorten. Sie ist jedes Jahr eine Herausforderung, weil wir sehr vom Wetter abhängig sind. Nach einer wirklich tollen Melonensaison 2019 hat es uns letztes Jahr alle Melonenpflanzen abgefroren. Das ist schon einmal frustrierend, nachdem alle Pflanzen mit viel Arbeit selbst gezogen wurden. Wir hoffen dieses Jahr auf besseres Wetter.

Trockenblumen, hier Strohblumen und andere, sind eine meiner Kindheitserinnerungen. In jedem Bauerngarten wuchsen sie. Schön, dass diese Tradition auf dem Fuxengut weitergeführt wird.

Julia: Was uns auch viel Freude macht, sind Trockenblumen in allen Farben und Formen. Wir trocknen sie selbst und verkaufen sie dann als bunte Sträuße im Spätherbst und Winter. Auch in unserem Haus hängen jeden Winter – als letzter Sommergruß – bunte Sträuße verteilt.

Eine Kultur die wir nicht gerne anbauen? Sagen wir, es gibt Kulturen, die wir nur noch in kleinen Mengen oder auf Vorbestellung pflanzen, wie beispielsweise Kohl oder auch ausgefallene Kürbissorten. Frustrierend ist es hin und wieder, wenn wir neue Sorten ausprobieren, die wirklich gut schmecken, aber die Leute trotzdem bevorzugt zu den „Standard-Sorten“ greifen. Da brauchts am Wochenmarkt immer wieder mal ein bisschen Überredungskunst meinerseits.

Zukunftswunsch

Neben den Freiflächen gibt es auch die Gewächshäuser. Hier wachsen empfindliche Gemüse und Jungpflanzen werden vorkultiviert.

Sonja: Abschließend noch eine Frage: Was wünscht ihr euch für die Zukunft?

Julia: Für die Zukunft wünschen wir uns, dass der Trend zu biologischen Lebensmitteln, Regionalität und Saisonalität noch weiter wächst und sich noch mehr Menschen in den Bereich „Marktgärtnerei“ wagen. Wir denken, dass die Pandemie vielen Menschen gezeigt hat, dass es sehr wertvoll ist, in der eigenen Gemeinde landwirtschaftliche Kleinbetriebe zu haben, bei denen man direkt einkaufen kann. Für unsere persönliche Zukunft wünschen wir uns vor allem gesund zu bleiben – das ist die Grundlage für unsere Arbeit. Wenn nichts Gröberes passiert, und wir zukünftig weiterhin eine bunte Mischung aus Gemüse, Obst, Blumen und Kräuter anbauen und immer wieder Neues ausprobieren bis wir alt und schrumplig sind, dann sind wir am Ende unserer Geschichte sehr zufrieden.

Sonja: Danke für das interessante Interview. Und ein erfolgreiches Erntejahr 2021!

Julia & Igor

…lernten sich in Südschweden kennen

…bewirtschaften seit 2016 den Bio-Bauernhof Fuxengut

…haben 3 Kinder

…einige Hühner

…und kultivieren mit Liebe und Leidenschaft viele Gemüse und Blumen!

Julia

…ist am Fuxengut aufgewachsen

…studierte Landschaftsplanung an der BOKU

…war einige Jahre an der TU Wien als Universitätsassistentin an der Fakultät für Raumplanung tätig

Igor

…stammt aus der Ukraine

…studierte an der Agraruniversität in Kiew

…war in Dänemark für einen Gartenbaubetrieb tätig

Alle Fotos: Dr. Julia Michlmayr-Gomenyuk oder Harald Michlmayr.