Seit mehreren Jahren nutze ich die Weihnachtsferien auch dazu, meine Bücher und Zeitschriften zu sortieren. Dann habe ich die Zeit und Ruhe, Interessantes nachzulesen und zu archivieren. Neben allerlei aktuellen Gartentrends wie Wintergemüse, Urban Gardening oder Freiraumgestaltung und Pflanzenverwendung im Klimawandel ist mir vor allem wildtierfreundliche Gartengestaltung und Gartenpflege nach wie vor eine Herzensangelegenheit. Und ich möchte dieses Thema noch viel stärker in meine Pflanzplanung künftig einbringen.

AAD – Animal-Aided-Design

Gewässerrenaturierung und neuer Park für die Anrainer. Hier proofitieren Natur und Menschen.

Für die wildtierfreundliche Freiraumgestaltung und -pflege gibt es auch einen Fachbegriff: Animal-Aided-Design. Zu Deutsch „tierunterstützes Entwerfen“. Dieser Ansatz integriert die Bedürfnisse und Anforderungen von Wildtieren in die Planung von Freiräumen. Die Intention ist, durch bestimmte Ausstattungselemente gezielt einen wertvollen Lebensraum für Wildtiere zu schaffen. Zielarten werden zu Beginn der Planung festgelegt. Auf diesen basieren die nachfolgenden Planungsschritte von Konzeptphase, über Entwurf, bis zur Ausführung und des späteren Monitorings. Letzteres dient zur Überprüfung, ob die Planung den gewünschten Effekt bringt.

 

Ökologie trifft auf Freiraumplanung

Florasdorf: Kinderspiel und Ökologie passen hier gut zusammen. Weiden sind optimal – ökologisch wertvoll und für Kinder völlig ungefährlich.

Entwickelt wurde dieser Planungsansatz von Professor Dr. Wolfgang Weisser, Lehrstuhl für terrestrische Ökologie der Technischen Universität München und Dr.-Ing. Thomas E. Hauck, Fachgebiet Freiraumplanung an der Universität Kassel. Bereits 2014, bei einem Symposium in Weihenstephan, habe ich dazu einen Vortrag gehört. Dieser tierbasierte Planungsansatz ist hinsichtlich des alarmierenden Artenrückganges sinnvoll. Dennoch ist bis heute Animal-Aided-Design kein integraler Bestandteil der Landschaftsarchitektur und Pflanzen-verwendung. Schade. Und warum?

Riesen-Chance: Faunaorientierte Freiraumplanung und Pflanzenverwendung

Jeder, der über Freiraumpotenzial verfügt, könnte die Wildtiervielfalt fördern. Und gerade Landschaftsarchitekten und Pflanzplaner haben die „Macht“, hier positive Akzente zu setzen. Doch es scheint beinahe so, als würden sich modernes Freiraumdesign und tierfreundliche Freiraumgestaltung ausschließen. Keineswegs. Denn ein Trend geht schon seit Jahren in Richtung ökologische und naturalistische Pflanzenverwendung.

Nahrungsquellen, wie Blüten oder Plätze zum Sonnenbaden, wie hier das Blatt, erfüllen Grundbedürfnisse von Wildtieren.

Wiesenhafte Pflanzungen mit zahlreichen Blütenpflanzen und Ziergräsern in Gemeinschaft mit Gehölzen können ein wertvolles Teilhabitat für Wildtiere bilden. Doch nur ein paar bunte Blumen sind möglicherweise zu wenig.

Vogelarten schenken ihrer Gefiederpflege viel Aufmerksamkeit. Bei vielen Arten ist das Wasserbad, wie bei diesem Bluthänfling, obligatorisch. Aber auch Sandbäder, wie diese Sperlinge zeigen, helfen, um unliebsame Parasiten los zu werden.

Lebensräume für Wildtiere beinhalten doch noch mehr. Entsprechende Nahrung über den gesamten Lebenszyklus, meist auch Wasser zum Trinken und eventuell Baden, ein passender Schlaf- und Ruheplatz, Schutz vor Feinden sowie ein geeigneter Nist- oder Brutplatz für die Nachkommen sind wesentliche Grundvoraussetzungen, um sich anzusiedeln. Scheint ja recht simpel. Aber so einfach ist es doch nicht. Denn die oben erwähnten Kriterien sind auf die jeweilige Zieltierart abzustimmen. Und dazu braucht es Fachwissen.

Beispielart: Rotkehlchen, Erithacus rubecula

Dieser sympathische Singvogel ist zwar in ganz Europa weit verbreitet. Doch stellt auch das Rotkehlchen bestimmte Ansprüche an seinen Lebensraum. So wird das Nest bodennah, gerne im Dickicht angelegt.

Dieses Bruthabitat kann für viele Menschen einen verwilderten Eindruck machen und auf Ablehnung stoßen. Auch streunende Katzen und Hunde sowie Ratten können die Brut gefährden. Neben dieser unplanbaren Gefahr ist auf genügend natürliches Nahrungsangebot auch in Form von Früchten wie Pfaffenkapperl, Liguster, Faulbaum und weitere zu achten. Doch viele dieser Fruchtsträucher sind für Menschen giftig und daher nicht im öffentlichen oder halböffentlichen Raum zu verwenden. Es zeigt sich: Der Teufel steckt im Detail. Wer also AAD in seiner alltäglichen Planungsarbeit einbinden möchte, muss Kreativität aufbringen und über Know-How verfügen, um allen Ansprüchen – der Wildtiere sowie der Nutzerinnen und Nutzer – an den Freiraum gerecht zu werden. Diese Herausforderung gilt es als Fachplaner anzunehmen und AAD in unsere Planungen zu integrieren, wo immer es möglich ist.

Konflikt Mensch-Wildtier

Frecher Spatz ist hier wirklich zutreffend. Diese Spatzenbande hat alle Scheue verloren und holt sich, was sie begehrt.

Auch das alltägliche Zusammenleben zwischen Mensch und Wildtier ist nicht immer konfliktfrei. Im eigenen Garten kann ich für mich selbst entscheiden, was ich toleriere und was nicht. Aber im öffentlichen und halböffentlichen Raum ist die Sache schon etwas kniffliger. Sogar Tierarten, die positiv besetzt sind wie Vögel, Schmetterlinge, Bienen und Hummeln, können zum unliebsamen Gast werden. Wenn das Blumenbeet zu nah an einer Sitzbank verortet ist, haben viele Menschen Angst davor, von Bienen gestochen zu werden. Und wieder andere finden es inakzeptabel wenn eine Schmetterlingsraupe an einem Blatt frisst oder eine Blattschneiderbiene die Blätter „zersägt“, um daraus die Brutzellen ihrer Nachkommen zu bauen. Oder Anrainer beschweren sich über den lauten Vogelgesang am Morgen. Und der Schanigartenbesitzer ist besorgt, dass Vogelkot im Glas oder auf dem Teller des Gastes landen könne.

Lösungsansatz: Wissen schafft Verständnis und Toleranz

Mirabelle Gardens in London sieht aus wie ein ganz normaler Park. Aber durch die Zusatzinformation wissen wir, er ist mehr: Er ist ein kleiner Park für Mensch und Wildtier.

Also braucht es, ergänzend zum Animal-Aided-Design, auch das Verständnis von uns Menschen. Daher sind das Interesse und die Begeisterung für die wunderbare Naturvielfalt, die Vielfalt des Lebens, in uns wieder zu wecken. Wer Wildtiere beobachtet, wird erstaunt sein, wie intelligent sie sich verhalten. Sie wissen aufgrund ihrer Instinkte, was richtig und falsch ist. So wissen Zugvögel, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist, zu ziehen. Etwa die Schwalben, die tausende von Kilometern weit fliegen, um bei uns zu brüten. Und dann gibt es Menschen, die einfach ohne nachzudenken die mühevoll gebauten Nester der Schwalben, die sie bereits seit mehreren Generationen über nutzen, zerstören. Weil sie vielleicht die Fassade des Hauses verschmutzen könnten. Früher freuten sich Menschen, wenn Schwalben an gerade ihrem Haus brüteten. Dann frage ich mich: Was ist mit uns Menschen passiert? Haben wir uns so weit von der Natur entfernt, dass sie uns nur noch stört? Daher ist es höchst an der Zeit, die Natur den Menschen wieder näher zu bringen. Besonders Kindergarten und Schule bieten hier großes Potenzial, sich Naturthemen zu widmen. Jedoch nicht mit fadem Auswendiglernen, sondern mit lustvollen Spaziergängen und spannender Naturbeobachtung, interessanten Exkursionen und informativen Projektarbeiten. Wo ökologische Themen und Artenkenntnisse spielerisch und experimentell vermittelt werden.

Mein Wunsch für 2021 und für die Zukunft

Ich wünsche mir, dass wir endlich erkennen, dass wir ein Teil der Natur sind. Und wir alle Lebewesen mit Respekt behandeln müssen, wenn unser Ökosystem weiterhin funktionieren soll. Daher wünsche ich mir mehr Interesse an unserer Natur. Denn nur wenn wir mehr über unsere lebendige, natürliche und wunderschöne Umwelt wissen, werden wir sie wieder lieben lernen. Dann bleibt unsere Erde weiterhin ein lebenswerter Ort.